Bilanzkreismanagements Gas ist ein komplexes Thema. Das zeigt die Vielzahl relevanter Vorgaben und Veröffentlichungen und der bloße Umfang des Geode Leitfadens Bilanzkreismanagement Gas, in dem die diesbezüglichen Prozesse verbindlich geregelt werden. Ziel dieses Artikels ist es, unter Nennung jeweils relevanter Vorgaben und Dokumente einen ersten Überblick zu geben.
Wir beschränken uns im Folgenden auf eine Beschreibung der Prozesse und Kosten im Bilanzkreismanagement Gas aus der Sicht des Gasvertriebs (BKV, Transportkunde und Lieferant), der eine Belieferung von RLM- und SLP-Kunden Gas zustandebringen muss.
Marktdesign Bilanzkreismanagement Gas
Alle regulatorischen Prozesse der Energiewirtschaft basieren auf regulatorisch vorgegebenen Marktrollen (siehe auch den Artikel Marktdesign der Energiewirtschaft), deren Interaktionen weitgehend regulatorisch vorgegeben sind.
1. Marktrollen
Das Bilanzkreismanagement Gas involviert die folgenden Rollen:
- Bilanzkreisverantwortlicher (BKV)
- Marktgebietsverantwortlicher (MGV)
- Netzbetreiber (NB) in der Ausprägung:
- Ausspeisenetzbetreiber (ANB)
- Einspeisenetzbetreiber (ENB)
- Fernleitungsnetzbetreiber (FNB)
- Speicherbetreiber (SSO)
- Biogas-Einspeiser
- Transportkunde (TK)
- Letztverbraucher (LV)
Eine Übersicht des Zusammenspiels dieser Marktrollen im Rahmen des Bilanzkreismanagements Gas laut Leitfaden liefert die folgende Graphik. Sie stellt Vertragsbeziehungen und Prozesse zwischen den beteiligten Marktrollen dar:
Transportkunden sind nach § 3 EnWG Großhändler, Gaslieferanten einschließlich der Handelsabteilung eines vertikal integrierten Unternehmens und Letztverbraucher, die das Netz in Anspruch nehmen und somit mit einem Netzbetreiber einen Ein- oder Ausspeisevertrag bzw. einen Lieferantenrahmenvertrag abschließen. Oftmals ist der Transportkunde selbst Bilanzkreisverantwortlicher, so dass sich die Graphik rechts und links etwas vereinfacht.
Wir betrachten im Folgenden ausschließlich die BK-Prozesse, die aus der Ausspeisung an SLP- und RLM-Endkunden und der zugehörigen Beschaffung im selben Marktgebiet resultieren (ohne Speicher, Transport, physische Einspeisung …).
2. Standardverträge
Im Sinne der Diskriminisierungsfreiheit und um eine größtmögliche Automatisierung der Prozesse zu ermöglichen, sind viele Vertragsbeziehungen zwischen den Marktrollen durch gesetzlich vorgegebene Standardverträge definiert (in der Graphik mit § bezeichnet). Die jeweils gültigen Standardverträge finden sich im Anhang der Kooperationsvereinbarung Gas. Es handelt sich um die folgenden Verträge:
- Ein- und Ausspeisevertrag (entry-exit-System), abzuschließen zwischen Fernleitungsnetzbetreiber und Transportkunde
- Ein- und Ausspeisevertrag (entry-exit-System), abzuschließen zwischen Verteilernetzbetreiber mit entry-exit-System und Transportkunde
- Lieferantenrahmenvertrag, abzuschließen zwischen Verteilernetzbetreiber mit Netzpartizipationsmodell und Lieferant als Transportkunde
- Bilanzkreisvertrag mit Anlage zum Biogas-Bilanzkreisvertrag, abzuschließen zwischen Marktgebietsverantwortlichem und Bilanzkreisverantwortlichem
- Vereinbarung über die Verbindung von Bilanzkreisen nach § 5 Ziffer 3 der Geschäftsbedingungen des Bilanzkreisvertrages, abzuschließen zwischen Marktgebietsverantwortlichem und Bilanzkreisverantwortlichen
- Netzanschluss- und Anschlussnutzungsvertrag Biogas, abzuschließen zwischen Netzbetreiber und Anschlussnehmer und/oder Anschlussnutzer
- Einspeisevertrag Biogas für die Verteilernetzebene, abzuschließen zwischen Verteilernetzbetreiber und Transportkunde von Biogas
Andere Vertragsbeziehungen (in der Graphik mit V bezeichnet) können individuell gestaltet werden. Hierzu gehören:
- Speicherverträge
- Bilanzkreismanagementverträge
(IT-) Strukturen für die Gasbilanzierung
Wie in der Stromnetz wird auch die Stabilität des Gasnetzes über das Prinzip der Bilanzkreise und Bilanzkreisverantwortung sichergestellt. Basis ist dabei
- die Zuweisung aller Ein- und Ausspeisepunkte zu einem Bilanzkreis und die Etablierung von Bilanzkreisverantwortlichen
- die Bestimmung von Istverbräuchen durch Messung oder Zuweisung von Standardlastprofilen
- die Etablierung geeigneter Kommunikationsprozesse zwischen den Marktrollen Netzbetreiber und Bilanzkreisverantwortlicher
1. Bilanzkreise und Bilanzkreisverantwortliche
Bilanzkreise dienen in der Gas- wie auch in der Stromwirtschaft dazu auf stündlicher Basis eine Mengenbilanz zu erstellen, welche Mengen:
- in den Bilanzkreis geliefert wurden (Handelsgeschäfte)
- aus dem Bilanzkreis geliefert wurden (Handelsgeschäfte)
- in den BK eingespeist wurden (Speicher, Förderung)
- aus dem BK ausgespeist wurden (Lieferung an Endkunden)
Bilanzkreise sind einem Marktgebiet zugeordnet, alle Ein- und Ausspeisepunkte des Marktgebietes sind einem Bilanzkreis zugeordnet, so dass die Ausgeglichenheit aller Bilanzkreise die Ausgeglichenheit des Marktgebietes impliziert.
Da Gas unterschiedliche Qualitäten (mit unterschiedlichem Brennwert pro Volumen) hat, werden Gas-Bilanzkreise nach H-Gas und L-Gas unterschieden. Biogas kann in separaten Biogas- H- und L-Gas-Bilanzkreisen bilanziert werden, für diese gelten einige Vergünstigen.
Im Rahmen des Bilanzkreismanagements werden in den Bilanzkreisen täglich und untertägig gehandelte sowie ein- und ausgespeiste Mengen „allokiert“ und hieraus im Nachhinein eine Bilanzkreisabweichung ermittelt. Die Mengenzuweisung basiert teilweise auf Messung teilweise auf vorgelagerten Meldeprozessen.
2. Bilanzkreishierarchie
Bilanzkreise können in einer Hierarchie mit einem Rechenbilanzkreis und bis zu zehn Ebenen untergeordneten Unterbilanzkreisen angeordnet werden. Nur der Rechenbilanzkreis ist gegenüber dem Marktgebietsverantwortlichen abrechnungsrelevant. Bilanzkreisverantwortliche, die im selben Marktgebiet H- und L-Gas bilanzieren, müssen ihre Bilanzkreise unter einem Rechnungsbilanzkreis zusammenführen:
3. Messung und Mengenallokation
Die Mengenallokation zu den Bilanzkreisen (Bestimmung von Istmengen im Sinne des Bilanzkreismanagements) kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung. Diese sind:
- Allokation nach Nominierung
- Allokation nach Deklaration
- Allokation nach Messung
Handelsgeschäfte auf Bilanzkreisebene werden durch die Marktteilnehmer täglich gegenüber dem MGV nominiert. Der MGV bestätigt die Nominierung bzw. führt einen Fehlerprozess durch. Basis für die Allokation sind durch den MGV bestätigte nominierte Mengen.
SLP-Ausspeisestellen werden nicht registrierend gemessen. Somit entscheidet bereits die Profilzuordnung mit entsprechenden Stammdaten über die abgenommenen Menge. Auf Basis der SLP-Profile pro BKV ermittelte Abnahmemengen werden vom ANB an den MGV und vom MGV wiederum an den BKV kommuniziert. Dies bezeichnet man als Allokation nach Deklaration.
Für alle RLM-Ausspeisepunkte, Biogas- und Wasserstoffeinspeisungen erfolgt die Allokation auf Basis der gemessenen Stundenmengen und der daraus gemäß DVGW Arbeitsblatt G 685 Gasabrechnung unter Berücksichtigung des Brennwertes ermittelten Energiemengen.
Der Gasverbrauch von Netzkunden wird zunächst in Kubikmetern (m³) gemessen. Für die Erdgasabrechnung und die Bilanzierung sind jedoch verbrauchte Kilowattstunden (kWh) relevant. Der Energiegehalt des Gases variert je nach Betriebszustand des Gases in der Messeinrichtung und hängt von Druck und Temperatur ab. Die Abrechnung und Bilanzierung der verbrauchten Energie E in kWh erfolgt somit auf der Grundlage eines Normzustandes über
wobei
Hs,eff der Energiewert in einem Normkubikmeter Gas
Hierfür erfolgt eine Umrechnung des Volumens Vb im Betriebszustand auf entsprechendes (genauso energiereiches) Volumen Vn im Normzustand. Hierzu wird eine sogenannte Zustandszahl z je Ausspeisepunkt / Zählpunkt ermittelt. Das Normvolumen ergibt sich dann als:
Das Produkt
ist der unter den jeweiligen Umständen erreichte Brennwert (kWh/m³).
Im Rahmen der Gasbilanzierung wird ein vorläufiger Bilanzierungsbrennwert und ein endgültiger, ex post für den Vormonat ermittelter Abrechnungsbrennwert unterschieden. Beide werden durch den Netzbetreiber bestimmt und kommuniziert. Die Bestimmung der Zustandzahl z und des Brennwerts erfolgt dabei nach DVGW Arbeitsblatt G 685 Gasabrechnung. Ein endgültiger Abrechnungsbrennwert muss bis zum Zeitpunkt M+12WT vorliegen. Regelungen zur Ermittlung des Bilanzierungsbrennwerts aus historischen Abrechnungsbrennwerten finden sich im Leitfaden Kap. 5.2.
4. Kommunikation und die EDIFACT-Nachrichten
Die Nominierung von Handelsgeschäften wie auch die Kommunikaton von allokierten Istdaten, die Übertragung von Salden zwischen Bilanzkreisen, wie auch der gesamte Fehlerbehandlungsprozess erfolgt über eine standardisierte elektronische Kommunikation mittels sogenannter edi@energy-Formate. Viele gasspezifische EDIFACT-Nachrichten werden nach wie vor beim DVGW verwaltet.
Wir zitieren in diesem Artikel die folgenden Formate:
Format | Inhalt |
NOMINT | Meldung einer Übertragung am Virtuellen Handelspunkt (VP) an den MGV |
CONTRL | Eingangsbestätigung einer Nachricht |
NOMRES | Bestätigung der gültig nominierten Menge durch den MGV |
ALOCAT | Festlegung / Kommunikation der (Ist-)Mengen für alle physischen Gasflüsse durch den NB |
Auch Bilanzkreissalden, Imbalancen, Toleranzen usw. werden durch entsprechende Nachrichten kommuniziert, darüber hinaus ermöglichen geeignete Formate die Abwicklung von Fehlerprozessen und die Übertragung von Bilanzkreissalden.
Nominierung und Allokation
Im Rahmen standardisierter und nicht standardisierter Verträge werden zwischen den Parteien täglich oder mehrmals täglich über standardisierte Prozesse und Formate verschiedene Daten ausgetauscht. Im Falle eines Stadtwerks, das als Transportkunde seinen eigenen Bilanzkreis (und nur einen) führt, lassen sich diese Datenflüsse zur Abwicklung des Gasvertriebs in vielen Fällen vereinfacht wie folgt darstellen:
Am wichtigsten sind hierbei die Zeitreihen:
Zeitreihe | Inhalt |
Entry/Exit VHP | Lieferungen auf Bilanzkreisebene (Handelsgeschäfte) |
RLMmT | Lieferungen an RLM-Endkunden mit Tagesband |
SLPana /SLPsyn | Lieferungen an SLP Endkunden (synthetische oder analytisches Verfahren |
1. Entry/Exit VHP
Im Rahmen der Nominierung meldet der BKV dem MGV Lieferungen von oder an seinen Bilanzkreis an oder aus einem anderen Bilanzkreis. In dieser Meldung spiegeln sich die Handelsgeschäfte für die Beschaffung des Gasabsatzes wieder. In gewissen Fällen sind auch Nominierungen des TK an den Ein- und Ausspeisenetzbetreiber erforderlich (siehe Leitfaden Bilanzkreismanagement Gas). Wir betrachten diese Nominierungen hier nicht.
Der Bilanzkreisverantwortliche muss dem Marktgebietsverantwortlichen täglich die zu übertragenden Stundenmengen für den Folgetag anmelden (siehe Bilanzkreisvertrag Gas). Diese Anmeldung muss am Vortag bis 14:00 Uhr eintreffen. Nominierungen können für mehrere Tage im Vorhinein abgegeben werden. Der Bilanzkreisverantwortliche kann seine bereits nominierten Gasmengen bei dem Marktgebietsverantwortlichen nur für einen zukünftigen Zeitraum durch eine Renominierung ändern. Dabei gilt eine Vorlaufzeit von 30 vollen Minuten zur nächsten vollen Stunde, bevor geänderte Werte wirksam werden. Der MGV bestätigt den Eingang der Nominierung mit CONTRL und führt ein Matching der Nominierungen durch, bei dem geprüft wird, ob die Nominierung mit der Nominierung des Kontrahenten übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, entscheidet er über die Lieferung im Rahmen der Lesser-of-Rule. Die Bestätigung der Nominierung durch den MGV erfolgt danach im Format NOMRES.
Für die Allokation der Zeitreihentypen Entry VHP und Exit VHP wird der stündlich nominierte und vom MGV bestätigte Lastgang zur Allokation herangezogen. Der MGV aggregiert die stündlichen Nominierungslastgänge je BK/SBK und versendet sie am Tag D+1, bis spätestens 14:00 Uhr, an den BKV im Format ALOCAT. In Ausnahmefällen kann es zu einer Korrektur der Allokationsdaten kommen, diese werden spätestens am Tag D+3 WT vom MGV an die BKV versandt. Die Nominierungsdaten am VHP bleiben unberührt und werden nicht geändert (Leitfaden Bilanzkreismanagement Gas, Ziffer 5.4.3.2).
2. RLM-Ausspeisestellen
Für alle RLM-Ausspeisepunkte, Biogas- und Wasserstoffeinspeisungen erfolgt die Allokation auf Basis der gemessenen Stundenmengen und der daraus gemäß DVGW-Arbeitsblatt G 685 unter Berücksichtigung des Brennwertes ermittelten Energiemengen. Die Allokation von RLM-Ausspeisepunkten erfolgt im Format ALOCAT. Der NB aggregiert alle gemessenen RLM-Stundenlastgänge des Liefertages D getrennt je Zeitreihentyp und je BK/SBK zu einer stündlichen Summenzeitreihe und übersendet diese an den MGV. Der MGV übersendet die gemessenen RLM-Stundenlastgänge getrennt je Zeitreihentyp, je BK/SBK und je NB an den BKV.
Zusätzlich errechnet der MGV aus den übersendeten gemessenen RLM-Stundenlastgängen RLMmT den Tageswert und verteilt diesen gleichmäßig und ganzzahlig (kaufmännisch gerundet) auf die Stunden des Gastages (Tagesband). Durch diese Berechnung können Rundungsdifferenzen zwischen den Lastgangdaten des NB und den bilanzierungsrelevanten Allokationsdaten beim MGV entstehen, die akzeptiert werden (Leitfaden Bilanzkreismanagement Gas, Ziffer 5.4.2).
Für die stündliche Summenzeitreihe des Tages D zum Bilanzierungsbrennwert erfolgen insgesamt 3 Meldungen: die erste für Kommunikation der Summenzeitreihe von 06:00 bis 12:00 Uhr, die zweite für die Summenzeitreihe von 06:00 bis 15:00 Uhr, die dritte für die Summenzeitreihe des gesamten Gastages:
In nachfolgenden Zeiträumen erhält der BKV vom MGV weitere Meldungen:
Zeitreihen | Termin | Brennwert | Bemerkung |
auf Tagesband umgerechnete Summenzeitreihen des Tages D | D+1 bis 19:00 Uhr | Bilanzierungsbrennwert | nur RLMmT |
stündliche Summenzeitreihe des Liefermonats M | M + 14 WT | Bilanzierungsbrennwert | Ersatzwertkorrekturen nach DVGW G685 werden berücksichtigt |
Abrechnungsbrennwert | |||
auf Tagesband umgerechnete stündliche Summenzeitreihe des Liefermonats M | M + 14 WT | Bilanzierungsbrennwert | nur RLMmT, mit Ersatzwertkorrekturen |
Abrechnungsbrennwert |
3. SLP-Ausspeisestellen
SLP-Ausspeisestellen werden nicht gemessen. Der Verbrauch von SLP-Kunden ergibt sich somit aus dem Standardlastprofil und den sonstigen Stammdaten (Kundenwert, Wetterstation), die der Netzbetreiber der Ausspeisestelle zugewiesen hat.
Für die Allokation ermittelt der NB am Tag D-1 die SLP-Tagesmenge auf Basis der zugewiesenen Profile und der Prognosetemperatur (z. B. geometrische Reihe) für den Folgetag. Der Ermittlungsprozess der SLP-Tagesmengen finden sich im BDEW/VKU/GEODE-Leitfaden Abwicklung von Standardlastprofilen Gas. In der Regel kommen die Profile der TU-München zum Einsatz.
Wie im RLM-Fall übermittelt der NB übermittelt die SLP-Menge an den MGV. Der MGV allokiert sie (eventuell nach Konvertierung in ein Tagesband) in den Bilanzkreis und übermittelt sie an den BKV. Die Übersendung der Tagesbänder je BK/SBK, Zeitreihentyp und NB vom MGV an den BKV erfolgt für den Tag D am Tag D-1 bis spätestens 13 Uhr.
Die Allokation für SLP-Ausspeisepunkte erfolgt somit endgültig bereits am Vortag.
Bilanzkreisabrechnung Gas
Wie im Stromnetz muss auch im Gasnetz Ein- und Ausspeisung im Gleichgewicht gehalten werden. Im Gegensatz zum Stromnetz verfügt das Gasnetz über seine Leitungen jedoch über eine gewisse natürliche Flexibilität, so dass in den meisten Fällen eine Bilanzierung auf täglicher Basis ausreichend erscheint. Die Mechanismen des Bilanzkreismanagements Gas dienen wie im Strommarkt dazu:
- den BKV einen Anreiz zu geben, ihren BK ausgeglichen zu halten
- Kosten für erforderliche Flexibilität möglichst gering zu halten
- verbleibende Kosten möglichst verursachungsgerecht zu verteilen
Hierfür werden im Bilanzkreismanagement Gas im Wesentlichen die folgende Instrumente etabliert:
- Abrechnung täglicher Ausgleichsenergiemengen
- untertägiges Anreizsystem auf Basis von Toleranzen und einem Flexibilitätskostenbeitrag
- Abrechnung von Differenzmengen auf Grund der Brennwertkorrektur
- RLM- und SLP-Bilanzierungsumlagen
- Konvertierungsentgelte für die Umwandlung von Gasqualitäten (H-Gas / L-Gas)
Die betreffenden Regelungen finden sich im Bilanzkreisvertrag (Anlage der KOV).
1. Abrechnung Ausgleichsenergie
Bilanzkreise werden laut Bilanzkreisvertrag auf täglicher Basis bilanziert. Der Bilanzkreisverantwortliche ist gegenüber dem Marktgebietsverantwortlichen verantwortlich, für jeden Gastag D für eine ausgeglichene Bilanz zu sorgen.
Die Differenz der während der Bilanzierungsperiode ein- und ausgespeisten bilanzrelevanten Mengen wird durch den Marktgebeitesverantworlichen am Ende der Bilanzierungsperiode als Ausgleichsenergie abgerechnet. Im einfachsten Fall ergibt sich die relevante Bilanzabweichung als Abweichung zwischen Gasbeschaffung und der allokierten Ausspeisung an RLM- und SLP- Ausspeisepunkte zum Bilanzierungsbrennwert.
Der anwendbare Ausgleichsenergiepreis wird dabei wie folgt ermittelt:
- positiver Ausgleichsenergiepreis ist der höhere der beiden Preise:
- Preis aller Regelenergieeinkäufe unter Einbeziehung von Day-Ahead und Within-Day Produkten, mit dem Lieferort virtueller Handelspunkt (Merit Order Liste Rang 1) sowie börsliche qualitätsspezifische Produkte im eigenen oder angrenzenden Marktgebiet (Merit Order Liste Rang 2)
oder - Mengengewichteter Gasdurchschnittspreis an der relevanten Handelsplattform für den jeweiligen Gastag zuzüglich zwei Prozent.
- Preis aller Regelenergieeinkäufe unter Einbeziehung von Day-Ahead und Within-Day Produkten, mit dem Lieferort virtueller Handelspunkt (Merit Order Liste Rang 1) sowie börsliche qualitätsspezifische Produkte im eigenen oder angrenzenden Marktgebiet (Merit Order Liste Rang 2)
- negativer Ausgleichsenergiepreis ist der niedrigere der beiden Preise:
- Preis aller Regelenergieverkäufe unter Einbeziehung von Day-Ahead und Within-Day Produkten, mit dem Lieferort virtueller Handelspunkt (Merit Order Liste Rang 1) sowie börsliche qualitätsspezifische Produkte im eigenen oder angrenzenden Marktgebiet (Merit Order Liste Rang 2)
oder - Mengengewichteter Gasdurchschnittspreis an der relevanten Handelsplattform für den jeweiligen Gastag abzüglich zwei Prozent.
- Preis aller Regelenergieverkäufe unter Einbeziehung von Day-Ahead und Within-Day Produkten, mit dem Lieferort virtueller Handelspunkt (Merit Order Liste Rang 1) sowie börsliche qualitätsspezifische Produkte im eigenen oder angrenzenden Marktgebiet (Merit Order Liste Rang 2)
Entsprechend der Festlegung der Bundesnetzagentur in Sachen Bilanzierung Gas (Az. BK7-14-020 „GaBi Gas 2.0) werden bei der Regelenergiebeschaffung von Produkten im Merit Order Listen Rang 2 angefallene Transportkosten berücksichtigt. Diese Kosten fließen in Form eines Transportkostenaufschlags in die Ermittlung der täglichen Ausgleichsenergiepreise ein. Bei einem Regelenergiekauf (SystemBuy) im benachbarten Marktgebiet wird der Aufschlag auf den Einkaufspreis addiert. Bei einem Regelenergieverkauf (SystemSell) ins benachbarte Marktgebiet wird der Abschlag von dem Verkaufspreis subtrahiert. Siehe hierzu auch das Zielmodell zur Regelenergiebeschaffung der Marktgebietsverantwortlichen Gaspool und NCG.
Toleranzen werden nicht gewährt. Die Ausgleichsenergiekosten für den Bilanzkreisverantwortlichen ergeben sich durch Multikation negativer Bilanzkreisabweichungen (zu hohe Einspeisung) mit negativen Ausgleichsenergiepreisen und positiver Bilanzkreisabweichungen (zu hohe Ausspeisung) mit positiven Ausgleichsenergiepreisen.
Historische und vorläufige Ausgleichenergiepreise werden von den Marktgebietsverantwortlichen auf ihrer Internetseite veröffentlicht (siehe Ausgleichsenergiepreise Gaspool). Beispielsweise lassen sich die vorläufigen Preise für Ausgleichsenergie ab dem 01.10.2015 bei Gaspool automatisiert über eine URL nach folgendem Muster (beispielhaft für 01.10.2015 bis 31.03.2016) herunterladen: http://www.gaspool.de/?eID=aepreise_csv&tag_von=01.10.2016&tag_bis=31.03.2017
Sie sehen wie folgt aus:
2. Untertägige Verpflichtungen
Für die untertägigen Verpflichtungen werden für jede Stunde des Gastages die Differenz aus Entry- und Exit betrachtet. Nach Berücksichtigung einer Toleranz für RLM-Ausspeisungen wird auf die verbleibende bilanzielle Flexibilitätsmenge eventuell ein Flexibilitätskostenbeitrag erhoben.
Das Toleranzband für die RLM-Ausspeisung ermittelt sich wie folgt:
- Ermittlung der allokierten, nicht brennwertbereinigten RLM-Ausspeisemenge für den Gastag
- 7,5 % hiervon ergibt das stündliche Toleranzband t
Zur Ermittlung der Flexibilitätsmenge betrachtet man nun die stündlichen Entrymengen Ei und stündliche Exitmengen Ai in den Bilanzkreis:
Hieraus ermittelt man für jede Stunde j = 1 bis 24 des Gastages (6:00 bis 6:00 Uhr) jeweils die kumulierte Summe Sj der Differenzen aus Einspeisung und Ausspeisung von 0 bis j und vergleicht diese Summe jeweils mit der ermittelten Toleranzbandmenge t:
In die Flexibilitätsmenge gehen nur solche Mengen und Stunden j ein, um die der Absolutbetrag der betrachteten laufenden Summe Sj dasToleranzbandes t überschreitet, d.h. die Mengen mit:
Diese Mengen werden addiert, das Ergebnis ist die bilanzielle Flexibilitätsmenge FM:
Auf die Flexibilitätsmenge wird dem BKV vom MGV ein Flexibilitätskostenbeitrag verrechnet. Der MGV erhebt nur an solchen Gastagen einen Flexibilitätskostenbeitrag, an denen
- im Marktgebiet ein gegenläufiger Regelenergieeinsatz (Ein- und Verkauf von Regelenergie über MOL Rang 1) vorgelegen hat und
- dem MGV hierdurch Kosten entstanden sind
An Gastagen, an denen diese beiden Kriterien nicht erfüllt sind, wird kein Flexibilitätskostenbeitrag erhoben. Ansonsten ermittelt der MGV den Flexibilitätskostenbeitrag als Division von Regelenergiekosten durch die Flexibilitätsregelenergiemenge. Die Ermittlung dieser Größen ist im Leitfaden beschrieben. Die erhobenen Flexibilitätskostenbeiträge werden von den MGV veröffentlicht. Im Zeitraum Oktober 2016 bis März 2017 wurden in den Marktgebieten Gaspool und NCG keine Flexibilitätskostenbeiträge erhoben.
3. Differenzmengenabrechnung
Über die Differenzmengenabrechnung verrechnet der MGV dem BKV die Differenz zwischen der Bewertung von RLM-Ausspeisemengen zum Abrechnungs- und zum Bilanzierungsbrennwert:
- jeweils zum Monatsende werden tägliche Differenzmengen bestimmt
- Abrechnungspreis ist der tägliche an der relevanten Handelsplattform gebildete mengengewichtete Gasdurchschnittspreis mit dem Lieferort VHP (unter Einbeziehung von Day-Ahead und Within-Day Produkten) gerundet auf 4 Nachkommastellen
- für positive und negative Differenzmengen gilt der gleiche Preis
- die Marktgebietsverantwortlichen NCG und Gaspool veröffentlichen den Differenzmengenpreis für den Tag D am Tag D+1, eine Anpassung ist bis zum Zeitpunkt M + 10 letztmals möglich
Nach der Berechnungslogik und den Regeln für die Beschaffung von Regelenergie ergibt sich, dass der Differenzmengenpreis in etwa dem mittleren Ausgleichsenergiepreis entspricht. So sieht er aus:
4. Sonstige Entgelte auf Bilanzkreisebene
Zusätzlich zu den Entgelten für Bilanzkreisabweichung sind für den BKV weitere Entgelte mit der Führung eines Gas-Bilanzkreises verbunden.
Hierzu zählt die VHP-Gebühr, die für alle Übertragungen am virtuellen Handelspunkt (z.B. Handelsgeschäfte) anfällt. Diese darf höchstens 0,8 ct/MWh betragen und wird vom MGV im vorhinein festgelegt und veröffentlicht.
Weiterhin wird proportional zur Ausspeisung an RLM- bzw. SLP-Kunden jeweils eine Bilanzierungsumlage erhoben. Mit dieser Umlage deckt der MGV verbleibende Kosten für die Netzstabilisierung, die durch Einnahmen aus Ausgleichsenergie, Flexibilitätskostenbeitrag usw. nicht gedeckt werden. Die Zuweisung von mit der Netzstabilisierung verbundenen Aufwänden und Erlösen zu den SLP- bzw. RLM-Umlagekonten und die Ermittlung der Umlage ist in der KOV geregelt. Die Berechnungsgrundlagen werden durch die MGV’s veröffentlicht.
Zur Berechnung der vom Bilanzkreisverantwortlichen zu entrichtenden SLP-Bilanzierungsumlage multipliziert der Marktgebietsverantwortliche die bilanzrelevanten SLP-Ausspeisemengen eines Bilanzkreisverantwortlichen mit der jeweils gültigen SLP-Bilanzierungsumlage.
Zur Berechnung der vom Bilanzkreisverantwortlichen zu entrichtenden RLM-Bilanzierungsumlage multipliziert der Marktgebietsverantwortliche die bilanzrelevanten RLM-Ausspeisemengen eines Bilanzkreisverantwortlichen unter Berücksichtigung der Brennwertkorrektur mit der jeweils gültigen RLM-Bilanzierungsumlage.
Alle von einem Bilanzkreisverantwortlichen in ein Marktgebiet eingebrachten Gasmengen werden qualitätsübergreifend bilanziert. Ergibt sich tagesscharf für einen Bilanzkreisverantwortlichen eine Überspeisung in der einen und eine Unterspeisung in der anderen Gasqualität, so wird die kleinere der beiden Mengen vom Marktgebietsverantwortlichen bilanziell konvertiert. Für die Konvertierungsrichtung H- nach L-Gas ist ein Konvertierungsentgelt gemäß KOV § 19 zu entrichten.
Weiterhin kann der MGV eine Konvertierungsumlage in ct/kWh auf alle täglich in einen Bilanzkreis eingebrachten physischen Einspeisemengen erheben.
Die veröffentlichten Entgelte gelten voraussichtlich bis zum 30. September 2017 und sehen derzeit (Mai 2017) wie folgt aus:
Gaspool | NCG | |
VHP-Entgelt | 0,1528 ct/MWh | 0,12 ct/MWh |
Bilanzierungsumlage RLM | 0,25 €/MWh | 0 |
Bilanzierungsumlage SLP | 0,75 €/MWh | 0,8 EUR/MWh |
Konvertierungsentgelt H -> L | 0,40 €/MWh | 0,45 EUR/MWh |
Konvertierungsumlage | 4 ct/MWh | 2,2 ct/MWh |
Weiterhin entstehen aus der Belieferung von SLP-Kunden zusätzlich Kosten aus der Mehr-Mindermengenabrechnung, die der Netzbetreiber mit dem Lieferanten vornimmt. Grundlage dieser Abrechnung ist der Lieferantenrahmenvertrag Gas (Anlage der KOV) und der Leitfaden Prozesse zur Ermittlung und Abrechnung von Mehr-/Mindermengen Strom und Gas. Dieser Prozess ist nicht Gegenstand dieses Artikels.
Eine Möglichkeit, die Kosten aus der Bilanzkreisabrechnung Gas zu senken, ist eine Bilanzkreiskooperation. Dabei wird der eigene Bilanzkreis dem Rechnungsbilanzkreis eines anderen Marktteilnehmers untergeordnet. Hierdurch gleichen sich Über- und Unterdeckungen der untergeordneten Bilanzkreise teilweise aus und es wird über alle zugewiesenen Bilanzkreise eine Senkung der Kosten aus Ausgleichsenergie und Flexibilitätskostenbeitrag erzielt.